Die Geschichte
der jüdischen Gemeinde
Korbach
Karl Wilke,
überarbeitet von Marion Lilienthal und Moritz Potthoff

Herausgeber:
Kreisstadt Korbach
-Stadtarchiv-
Oberstraße 8
34497 Korbach
1993/2012
Vorwort des Bearbeiters
Aus Anlaß des 50. Jahrestages des Pogroms am 9. November
1938 wurde vom Kommunalen Jugendbildungswerk der Stadt
Korbach eine Dokumentation "Judenverfolgung in Korbach" herausgegeben.
Zur Ergänzung und darüber hinaus soll in den
folgenden Ausführungen versucht werden, die Geschichte der
im Nazireich untergegangenen Korbacher Judengemeinde während
der gesamten Zeit ihres Bestehens zu schildern, um sie in
Erinnerung zu rufen und für kommende Generationen zu bewahren.
Die Ansiedlung von Juden in Korbach bzw. im damaligen Fürstentum
Waldeck begann recht spät, denn erst Mitte des 18.
Jahrhunderts durften sich die ersten Juden unter fürstlichem
Schutz als sogenannte Schutzjuden in Korbach niederlassen.
Es soll hier der schwierige Weg aufgezeigt werden, den die
Juden zurückzulegen hatten, um von ambulanten Trödelhändlern
zu etablierten Kaufleuten aufzusteigen. Dies gelang ihnen
auf Grund ihres händlerischen Geschicks, ihres Fleißes und
ihrer zähen Beharrlichkeit, obwohl sie zunächst mit zahlreichen
Sonderabgaben, wie Leibzoll, Schutzgeld, Einzugsgeld
und Nahrungssteuer belastet waren und mannigfaltigen Handelsbeschränkungen
unterlagen. Parallel zum wirtschaftlichen
Aufstieg im Verlauf des 19. Jahrhunderts kam es, wenn auch
gegen nicht unerhebliche Widerstände, zum Wandel von nur
gegen Schutzgeldzahlungen vom Landesherrn geduldeten Angehörigen
des Volkes Israel zur Aufnahme als städtische Bürger
und zu rechtlich gleichgestellten deutschen Staatsangehörigen.
Hand in Hand mit dem wirtschaftlichen Aufstieg und der
rechtlichen Gleichstellung ging die Integration der Juden in
die christlich-bürgerliche Gesellschaft vor sich. Sie gehörten
forthin den örtlichen Vereinen und Verbänden an, auch im
Gemeinderat waren sie vertreten.
Das relativ unproblematische zusammenleben von Juden und
Christen in Korbach verschlechterte sich zunehmend mit dem
Erstarken der nationalsozialistischen Bewegung Ende der
zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts
und führte nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten
im Januar 1933 zu Hetzkampagnen, Verfolgungen und letztlich
zur physischen Vernichtung der nicht emigrierten jüdischen
Mitbürger. Auch dieser finstere Abschnitt der deutschen und
damit auch der Korbacher Geschichte soll nicht verschwiegen
und vergessen werden. Den folgenden Generationen soll er als
Mahnung dienen, sie sollen aus der Vergangenheit lernen und
erkennen, wohin Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit und Rassenhass
führen kann.
Der umfangreiche Familienteil wurde nach dem Vorbild der in
Waldeck für zahlreiche Gemeinden bestehenden und für die
Ahnenforschung bestens geeigneten Ortssippenbücher erstellt,
um die Familienforschung zu erleichtern, denn in den letzten
Jahren erreichten das Stadtarchiv vermehrt Anfragen von
Nachkommen früher in Korbach ansässigen Juden, die nach ihren
Vorfahren forschen.
Dank gilt ehm. Stadtarchivar Wilhelm Hellwig und seinen ebenfalls
ehrenamtlich tätigen Mitarbeitern Lothar Gerlach, Leonhard
Müller und Helmut Ziegler, die mich unterstützten sowie all
denen, die mir Hinweise und Auskünfte gaben. Hervorheben
möchte ich besonders Frau Ilse Löwenstern aus Darmstadt,
früher Kirchstr. 13, der ich wertvolle Informationen nicht
nur über ihre Familie, sondern allgemein über die jüdische
Gemeinde Korbach verdanke . Frau Löwenstern ist m. W. die
einzige noch in Deutschland lebende Gemeindeangehörige.
Ferner gilt Dank Herrn C. Edward Mosheim aus Zionsville/USA,
der sich intensiv mit der Geschichte der Familie Mosheim
befaßt hat und mehrfach Korbach und das Stadtarchiv besuchte.
Desgleichen Herrn Andrew I. Morton aus Glen Iris/Australien,
der das Archiv über die nach Australien emigrierte
Familie Löwenstern, früher Tränkestraße 13, informierte.
Beide Herren haben auf Grund der Archivunterlagen und eigener
Forschungen umfangreiche Chroniken ihrer Familien erarbeitet
und dem Stadtarchiv zur Verfügung gestellt.
Korbach, im Juli 1993
Karl Wilke
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