Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Korbach

Niederlassung von Juden in Korbach

Die nachweisbar erlaubte Niederlassung jüdischer Familien in der Stadt Korbach beginnt in den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts. Eine Verordnung gegen das heimliche Einschleichen von Juden in das Land gab es bereits 1709. Ferner bestand schon 1676 in Waldeck ein Verbot, mit Juden an Sonn- und Feiertagen Handel zu treiben, was allerdings nicht den Schluß zulassen muß, daß damals bereits Juden in Waldeck ansässig waren, denn von außerhalb kommende Juden werden zu dieser Zeit bereits ihre Handelstätigkeit in Korbach, insbesondere auf den zahlreichen Korbacher Märkten ausgeübt haben. In dem angrenzenden hessen-darmstädtischen Gebiet wurde die Niederlassung von Juden großzügiger als in Waldeck gehandhabt. So gab es in Vöhl, Basdorf und in den hess. Enklaven in Waldeck, den Gemeinden Höringhau sen und Eimelrod, jüdische Familien, die auch in Waldeck ihrer geschäftlichen Tätigkeit nachgingen, aber jeweils abends wieder in ihre Gemeinden zurückkehren mußten. Auch in dem Städtchen Züschen waren schon Juden ansässig. Hier bestand ein Privileg, das dem örtlichen Adelsherren die Ausstellung von Schutzbriefen erlaubte.

Die ersten Juden, die sich in den Jahren 1761 - 1764 in Korbach niederlassen durften, waren Isaac Nathan, Simon Salomon und Levmann Amschel Katz; im Jahr 1765 folgte ihnen Elias Lazarus. Eine Kopie des ihm erteilten Schutzbriefes befindet sich im Stadtarchiv und hat folgenden Wortlaut:

 

    "Von Gottes Gnaden Christiane verwittibte Fürstin zu Waldeck, gebohrener Pfaltzgräffin bey Rhein, Hertzogin in Beyern, Gräffin zu Voldratz, Sponheim, Pyrmont und Rappoltstein, Frau zu Hohenack und Geroldseck am Wasingen,

    Vormünderin und Regentin,

    Thun kund und beteuere hiermit in Vormundschaft Unseres freundlich vielgebliebten Herrn Sohnes, des Durchlauchtigsten Fürsten, Herrn Friedrich Fürsten zu Waldeck Liebden {*) daß Wir bis auf anderweitige vorbehaltene beliebige Verordnung den Juden Elias Lazarus aus Kuntzendorf in Franken gebürtig, in Unseren Schutz und Schirm gegen alle deren Wir zu Recht mächtig sind, auf­ und angenommen haben, ihn auch kraft dieses und dersel­ ben Solchergestalt auf- und annehmen, daß er sich mit Weib, Kind und dem nöthigem Gesinde in Unserer Stadt Corbach niederlassen, häuslich daselbst wohnen, allen den Juden zugelassene Handlung treiben, auch an deren Ceremonien der schon daselbst befindlichen Juden und an den ihnen angewiesenen Begräbnisort theilnehmen, und überhaupt alle diejenigen Befugnisse so jenen im Handel und Wandel zugestanden worden, in gleichem Maße genießen können und mögen, und Wir Uns und Unseres freundlich vielgeliebten Herrn Sohnes Liebden dagegen er ebenso, wie es anderer Unserer Unterthanen zu thun pflichtig und schuldig sind, jederzeit gehorsam, getreu und gewärtig seyn, Unseren Schaden, soviel an ihm ist, wehren, selbst keinen zufügen, sich auch nebst den Seinigen, deren gemeinen Keyserlichen Rechten und Rechtsconstitutionen, in Sonderheit deren Unseren, jetzigen und künftigen Landesverordnungen, und den hergebrachten Gewohnheiten gemäß verhalten, bey schwerer Strafe, auch wohl dem Befinden nach, bey Verlust des ihm verliehenen Schutzes, niemanden mit übermäßigem Wucher oder anderen Vervortheilungen beschweren und übernehmen, sondern sich viel­ mehr ehrlich und rädlich nähren, auch daß ihm gleich denen anderen hier im Lande wohnender Juden aufzuerlegende Schutzgeld und anderer Abgaben alljährlich ordent­ lich und ahnfehlbar entrichten solle, irrmaßen er dann dieses alles zu leisten, und demselben in keinem Wege weder durch selbst oder durch andere zuwider zu handeln für sich und die Seinigen versprochen, auch darüber nicht nur nach gegebener Handtreue, einen leiblich geschworenen jüdischen Eid abzulegen, sondern auch noch über dieses einen besonderen Revers von sich zu stellenhat. Also befehlen Wir Unseren nachgesetzten Collegiis, Unseren Beamten und Magistraten in Städten hiermit Kraft dieses Briefes, daß sie von Unsertwegen ermelten Juden Elias Lazarus in seinen billigen Sachen schützen und gegen unrechte Gewalt schirmen, auch ihn in denjenigen, wozu er von Rechts- und Billigkeitswegen befugt, gebührende Amts-Hülfe wiederfahren lassen sollen, doch soll dieser ihm zugesagte Fürstliche Schutz, auf seine Persohn, Weib und Kinder, solange die Kinder ohnverheirathet bleiben, und weiter nichts verstanden worden, und wenn seine Kinder sich verheirathen, sollen Sie bey Unserem freundlich vielgeliebten Herrn Sohnes Liebden oder dero Nachfolgern an der Regierung um ferneren Schutz unterthänigst nachsuchen und bitten, und dero oder der­ selben Entschließung gewärtig, auch solchen ohne Wiederrede gehorsam seyn.

    Urkundlich Unserer eigenhändigen Unterschrift und beigedrücktem Fürstlichen Insiegels. So geschehen Arolsen, den 22ten Januarii 1765

    (L.S.) Christiane, verwittibte Fürstin zu Waldeck gebohrener Pfaltzgräffin bey Rhein
    Daß vorstehende Copie, mit dem Original von Wort zu Wort übereinstimmt, bescheinigt hiermit

    Arolsen, den 28ten Januarii 1765

    Hoyer, Cammerschreiber"



{* ehrende Bezeichnung)


Die den anderen Judenfamilien erteilten Schutzbriefe hatten diesen oder einen nahezu identischen Wortlaut.

Copyright © Marion Lilienthal

Technische Realisierung: Anne Kersting, Dominic Antony