Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Korbach
Sonderabgaben für Juden
Neben dem an den Fürsten zu zahlenden Schutzgeld, hatten
die Juden einen Leibzoll (Kopfsteuer) zu zahlen und an
die Stadt Korbach ein Einzugsgeld zu entrichten, das für
Simon Salomon 15 Reichstaler (Rtlr.) und für Levmann Amschei
Katz und Elias Lazarus je 10 Rtlr. betrug. Außer
diesen Abgaben hatten die Schutzjuden ein sogenanntes
Nahrungsgeld in Höhe von damals jährlich 8 Rtlr. an die
Stadt zu zahlen. Das Nahrungsgeld, auch Nahrungssteuer
genannt, sollte als Ersatz dafür dienen, dass die Juden
als Nichtbürger keine ehrenamtlichen Tätigkeiten (z. B.
Wachdienste, Marktwachen, Botengänge, Scharwerken) leisten
mussten und von Einquartierungen und vom Militärdienst
befreit waren. Selbstverständlich mussten die Juden
neben diesen Sonderabgaben die für alle geltenden
Steuern entrichten.
Auch wurden die in jüdischem Besitz stehenden Häuser
ungleich höher im Brandkassenwert (und damit auch im
Beitrag) eingestuft, als vergleichbare Gebäude in
christlichem Besitz. Dies wurde von Hermann Thomas, dem
Verfasser der Häuserbücher von Alt-Korbach, beim Vergleich
des Brandkassenverzeichnisses von 1762 mit Nachtrag
von 1784 festgestellt (siehe Häuserbücher Heft 6,
Seite 25). Zwar ist nicht erwiesen, ob die höhere Einstufung
auf Wunsch der Eigentümer oder zur Erzielung
höherer Brandkassenbeiträge erfolgte, letzteres ist aber
wahrscheinlicher.
Die Ansiedlung von Juden in Korbach brachte auch die
Geistlichkeit auf den Plan, die um die ihnen zustehenden
Stolgebühren (Abgaben für kirchliche Amtshandlungen)
fürchteten, auf die sie nicht verzichten wollten. In
einer Eingabe an das Fürstliche Konsistorium in Arolsen
vom 7.11.1763 weisen die Pfarrer darauf hin, dass mittlerweile
3 jüdische Familien in mit Geld belegten
Häusern wohnen, aus denen sie bisher ihren Nutzen zogen.
Die Entscheidung des Konsistoriums erging am 10.4.1764
dahingehend, dass die Juden keine Stolgebühren zu entrichten
hätten.
Im Jahr 1770 war die Judenschaft in Korbach auf fünf
Familien angewachsen und es kam bereits in diesem Jahr
zur Gründung einer israelitischen Gemeinde, die zur Voraussetzung
hatte, dass mindestens zehn religionsmündige
Männer vorhanden waren. 1775 waren es 8 Familien mit
insgesamt 65 Personen (38 männliche und 27 weibliche).
Bei dieser Familienzahl blieb es dann in etwa für die
nächsten Jahrzehnte, denn die Zahl der den Juden
erteilten Niederlassungserlaubnisse wurde alsbald
beschränkt.
Gewerbliche Tätigkeit der Juden
Der Schutzbrief berechtigte den Inhaber zur häuslichen
Niederlassung und zu allen den Juden zugelassenen Handelstätigkeiten.
Da den Juden die Ausübung eines Handwerks
nicht erlaubt war, und sie auch keine Landwirtschaft
betreiben durften, wurden sie auf den Hausierhandel,
damals Schacherhandel genannt, verwiesen.
Der Schacherhandel wurde wie folgt definiert:
"Mit dem Namen Schacherhandel bezeichnet man im
allgemeinen die allerniedrigste Stufe des kaufmännischen
Gewerbes, welches an keine feste Lokalität
gebunden von Haus zu Haus mit vielerlei Gegenständen,
gleich ob alt oder neu, meistens jedoch mit
Kleinigkeiten und Trödel, namentlich mit alten
Kleidern, Geräten und anderen abgängigen Sachen,
durch deren Verkauf , Ankauf oder Tausch getrieben
wird."
Alsbald erweiterten die jüdischen Händler ihr Gewerbe
auf den Vieh- und Fruchthandel , Ellen- und Kurzwaren,
Branntwein, Wolle usw.
Etwa um 1800 gab es Bestrebungen, die Juden von Handeln,
(Schachern und Wuchern nach damaligem Sprachgebrauch)
abzubringen und sie auch handwerklichen Tätigkeiten zuzuführen.
Dem standen aber wiederum die Vorschriften der
Innungen und Gilden entgegen, nach denen nur Christen
als Lehrlinge und Gesellen aufgenommen werden durften.
Handwerksmeister konnte nur werden, wer das Bürgerrecht
besaß, das den Juden zu dieser Zeit aber noch verweigert
wurde. Der Korbacher jüdische Schulmeister Baer Samuel
versuchte im Jahr 1798 seinen Sohn das Goldschmiedehandwerk
erlernen zu lassen. Obwohl ein ortsansässiger Handwerker
zur Annahme des Lehrlings bereit war, verhinderte
die Goldschmiedezunft - trotz Intervention des Fürsten -
die Aufnahme, weil in den Statuten eindeutig festgelegt
war, dass nur Kinder christlicher Eltern Lehrlinge werden
durften. Auch von der Korbacher Metzgerzunft ist überliefert,
dass sie sich heftig gegen die Aufnahme von Juden
wehrte. So zogen die Juden weiterhin als Handelsmänner
über Land, meist als Viehhändler, aber eine Spezialisierung
auf bestimmte Waren gab es nicht, sie handelten
mit einer ganzen Palette von Waren. Was sie nicht im
Packen oder in der Kötze bei sich führten, konnten sie
auf Bestellung beschaffen.
Verzeichnis der handeltreibenden Kaufleute
in Corbach von 1831:
Das Verzeichnis enthält die Namen und die Branche von
24 Kaufleuten, die es 1831 in Korbach gab. Unter den
24 Kaufleuten gab es 7 Juden, und zwar:
- Wittgensteinsche Handlung
Wolle
- Simsen Wittgenstein
Leder
- Lazarus Löwenstern
Tuche, Baumwollwaren, Band- und andere Ellenwaren, Glas und Porzellan
- Jacob Samuel und die Kinder von dessen Bruder Samuel Moses (später Mosheim)
Vieh, Frucht, Felle, Band- und Kurzwaren
- Moses Laz
Ellenwaren, Eisen, Felle und andere Kleinigkeiten
- Aron Buchsbaum
Felle
- Henoch Baer
Felle
Die damals noch überaus zahlreichen Kram- und Viehmärkte
waren ohne jüdische Händler kaum denkbar. Bei der Festlegung
der Markttage wurde darauf geachtet, dass sie
nicht auf jüdische Feiertage fielen. Wegen der seinerzeit
noch schlechten Verkehrsverhältnisse im ländlichen
Raum war die Art der jüdischen Handels- und Vermittlertätigkeit
für die Landbevölkerung von großer Bedeutung.
Wesentlich war ferner, dass die jüdischen Händler Geld
verliehen oder vorschossen, sie übernahmen praktisch die
Aufgaben der im ländlichen Bereich damals noch nicht
vorhandenen Banken. Die ländlichen Produkte wie Vieh,
Felle, Garn, Wolle, Leinen, Tuche usw nahmen die
jüdischen Händler in Zahlung und lieferten dafür der
Landbevölkerung Waren und Gebrauchsgüter, die diese
nicht selbst herstellen oder beschaffen konnte.
Die Art des Handels der jüdischen Handelsmänner unterschied
sich auch wesentlich von der der heimischen Kaufmannschaft,
die an Traditionen und Regeln der Kaufmannsgilde
gebunden war. Die jüdischen Händler, denen die
Zugehöri gkeit in der Kaufmannschaft verwehrt wurde, handelten
unkonventionell; sie gingen in die Häuser, umschmeichelten
die Kunden, weckten Kaufbedürfnisse, räumten
ihnen Vorteile ein, unterboten die festgesetzten
Preise, während die in Konventionen verhafteten Kaufleu te
mit gewisser Distanz ihren meist festen Kundenstamm
betreuten.
Nun mussten die Juden jedes sich nur bietende Geschäft
wahrnehmen, um ihren Verpflichtungen nachkommen zu können,
denn sie hatten neben den allgemein geltenden Abgaben
beträchtliche Sonderzahlungen, wie das Schutzgeld,
den Leibzoll (Kopfsteuer), das Nahrungsgeld und das Einzugsgeld
aufzubringen.
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